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Musikfestivals und Nachhaltigkeit? Ein Erlebnisbericht vom Melt!

Von Katharina Stein 21.8.2014 ~5 Minuten Lesezeit

Nachhaltigkeit ist auch für die Veranstaltungsbranche kein Nischenthema mehr. Ein Festival, das als Großveranstaltung (rund 20.000 Besucher) dazu immer wieder beispielhaft genannt wird, ist das Melt! Festival. Doch was unternimmt das Festival für ein nachhaltigeres Event, was davon funktioniert in der Praxis und kommt bei den ganz normalen Festivalbesuchern tatsächlich an?

Musikalisch ist das Melt! Festival mit feinsten Indie- und Elektroklängen ganz weit oben auf meiner Sommerwunschliste. Und da zwei großartige Dinge zusammenkommen – wunderbare Musik und ein Festival, das sich Gedanken über seinen ökologischen Fußabdruck macht – habe ich mich umso mehr gefreut, mir das alles Mitte Juli 2014 aus der Nähe anzuschauen. Als ganz normaler Festival-Besucher. Ich war neugierig, was man ohne Fachbeiträge, Hintergrundinfos und Reports eigentlich von all den Nachhaltigkeitsbemühungen mitbekommt.

Das Pilotprojekt M!Eco

Gemeinsam mit der Green Music Initiative wurde 2010 M!Eco als Pilotprojekt gestartet, bei dem es um eine nachhaltigere Ausrichtung des Melt Festivals geht. Die Motivation: „Umweltverschmutzung ist ein zentrales Thema unserer Zeit. Die Musik- und Entertainmentindustrie (…) ist in allen relevanten Bereichen (Produktion, Distribution, Abspielen, Aufführen) sehr energieintensiv.(…) Deshalb möchten wir in Zukunft unserer Verantwortung stärker nachkommen.“

Nachhaltige Maßnahmen: vor und hinter den Kulissen

Seit dem Start sind Maßnahmen wie die Solaranlage, Fahrerschulungen für sparsames Fahren oder ein fleischfreier Tag beim Künstlercatering umgesetzt worden und in Zukunftswerkstätten gemeinsam mit Partnern spannende Konzepte wie die Sunplugged Bühne entwickelt worden. Hinter den Kulissen geschieht also so einiges.

Bei Anreise und Mobilität wird ein Großteil der klimaschädlichen Emissionen von Veranstaltungen verursacht. Je nachdem, aus welcher Region die Besucher kommen, bietet der Melt! Hotelzug eine bequeme Anreise- und Übernachtungsmöglichkeit gleichzeitig. Mit einem DJ wird so schon die Anreise zur Party und der erhobene Zeigefinger bleibt zu Hause. Bei den Anreiseinfos ist die Mitfahrzentrale eingebunden und es gibt das eigene Thema „Mitfahren“ im Onlineforum.

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Wittenberger Tafel – Foto: Maike Thalmeier

Beim Camping wird auf dem GreenCamp Müll getrennt: Statt dem obligatorischen Müllbeutel gibt es gleich vier für unterschiedliche Wertstoffe und Abfall. Außerdem verpflichtet man sich zur Einhaltung einer Nachtruhe (2-8 Uhr). Lobenswert: Nach dem Festival kommt vom GreenCamp-Team per Email die Bitte um Feedback und Verbesserungsvorschläge.

Aufgefallen sind uns die Komposttoiletten des Social Business Start-ups Goldeimer: sehr sauber und obendrein geruchsneutral. Die zwei Euro pro Nutzung werden für Wasserprojekte gespendet. Insgesamt zwei Stationen haben zwar eher symbolischen Charakter, an gut sichtbaren Punkten platziert und mit einer ordentlichen Portion Humor im Auftritt gibt es aber Pluspunkte für die Kommunikation.

Der bewährte Müllpfand, der direkt mit den Tickets erhoben wird, setzt bei vielen (Camping-)Besuchern Anreize, ihren Müll einzusammeln und bei Abreise einen vollen Müllsack abzugeben.

Mich persönlich hätten mehr Müllsammelstellen, die zwischendurch geräumt werden, sehr gefreut – leider ist nicht jeder so diszipliniert, danach Ausschau zu halten und… nunja.

Im „CampingSupermarkt“ gibt es neben Getränken in PET-Flaschen Bier nur aus der Dose. Immerhin motiviert auch hier ein Pfand dazu, die Dosen wieder hübsch zurückzubringen.

Umwelt- und besucherfreundlich sind auf jeden Fall die ausgewiesenen Trinkwasser-Stationen zum Abfüllen von Wasser.

Sowohl auf dem Camping- als auch auf dem Festivalgelände gibt es vegetarische, vegane und auch regionale Essensangebote. Durch den in der Regel in der Produktion geringeren Ressourcenverbrauch sind sie oft klimafreundlichere Alternativen zur Bratwurst oder Weitgereistem.

Eine sehr gute Initiative ist die Kooperation mit der Wittenberger Tafel, die dieses Jahr an einer Sammelstelle dazu aufruft, Lebensmittel und Zelte zu spenden, statt sie stehen zu lassen oder wegzuwerfen.

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Oxfam Stand – Foto: Maike Thalmeier

Ein großer Oxfam-Stand auf dem Festivalgelände sorgt mit Abziehbild-Tattoos, Glitzerpuder und Fotoaktion für Festival-Flair und bietet jede Menge Information. Nach eigener Aussage werden sie mit dem Stand sehr gut von den Festival-Organisatoren unterstützt.

Am Stand von Viva con Agua und bei mobilen Teams kann der Becherpfand gespendet werden – wesentlich besser, als den Becher liegen zu lassen, weil die Menschenmenge an der Bar gerade undurchdringbar scheint. Sehr praktisch – und lukrativ – wäre sicher auch die Möglichkeit zur Pfandspende am Abreisetag vom Campingplatz.

Insgesamt freue ich mich, dass neben klassischen Maßnahmen wie Becher- und Müllpfand weitere Ansätze erprobt und umgesetzt werden. Die Einsparpotenziale sind hoch. Aus eigener Erfahrung im Veranstaltungs- und Nachhaltigkeitsbereich weiß ich, dass es bei allem Potenzial nicht immer leicht ist, bei den Prozessen im Vorder- oder Hintergrund (z.B. Produktion, Logistik oder Energie) wirksame Hebel pro Umwelt, Klima und Gesellschaft zu finden und zu bewegen.

Wenn ich mir etwas von einem Projekt wie M!Eco wünschen dürfte, wären es weitere, für die Festival-Besucher sichtbare Maßnahmen – gern auch spielerische, wie das Electric Hotel zum Aufladen des Handys, das in den Vorjahren vor Ort war. Denn Musik, Szene, Spaß und Umweltschutz haben in Kombination einen super Impact beim Publikum, wie ich sehe. Und doch noch ein Wunsch: nicht aufzuhören, den eingeschlagenen Weg vor und hinter den Kulissen weiter zu gehen und mit jedem Jahr mehr zu erreichen in Sachen Nachhaltigkeit – und auch auf andere damit abzufärben.

Mit Blick auf die spektakuläre Kulisse der Ferropolis-Location mit rostenden Bagger-Ungetümen vor dem blau glitzernden See des gefluteten Braunkohletagbaus denke ich darüber nach, dass es ein toller Ort für postfossile, zukunftsweisende und visionäre Experimente ist!

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