Artikelbild für: Konzeption und Organisation von Events im öffentlichen Raum: zwischen heterogenen Zielgruppen & vielen Risiken

Konzeption und Organisation von Events im öffentlichen Raum: zwischen heterogenen Zielgruppen & vielen Risiken

Von Katharina Stein 19.5.2014 ~6 Minuten Lesezeit

Events im öffentlichen Raum bergen konzeptionell, aber auch organisatorisch spezielle Herausforderungen. Schließlich sollen sie nicht nur einen Bezug zur Geschichte und den gesellschaftlichen Traditionen haben, sondern auch die Bürger zeitgemäß bewegen und einbinden! Am Beispiel der 850. Jahrfeier Münchens (2008) spricht Brigitte Nußbaum, Inhaberin der Eventagentur trendhouse, die mit der Umsetzung des Isarbrückenfestes beauftragt war, über die Konzeption und Organisation öffentlicher Veranstaltungen.

» Interview-Reihe aus dem Buch „Alles nur Theater“

Interview mit Brigitte Nußbaum über die konzeptionellen und organisatorischen Herausforderungen öffentlicher Events

 

Das Interview führte Ricarda Merkwitz, Mitautorin des Buches „Alles nur Theater“.

Ricarda Merkwitz: Worin bestand die konzeptionelle Herausforderung bei dieser Inszenierung im öffentlichen Raum?

Brigitte Nußbaum: Die größte Herausforderung bei der Entwicklung, Konzeption, Planung und Organisation des Events „Isarbrückenfest“ im Rahmen des 850. Stadtgeburtstages Münchens war die sehr heterogene Zielgruppe. Die Münchner, Familien, Junge und Alte, Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senioren, alle sollten eingeladen werden, an der Isar gemeinsam zu feiern. Ziel der Veranstaltung war es, München nahbar zu machen und München mit seinen schönsten Plätzen zu erleben. In Verbindung mit der Isar als wesentliches Motiv wurde die Geschichte der Stadt München interaktiv präsentiert.

Es wurden alle Facetten in die Konzeption einbezogen, d.h. es mussten für Kinder bis hin zu den älteren Bürgen attraktive und spannende Programmelemente angeboten werden. Dabei war es ein wichtiges Gebot, nicht unstrukturiert einzelne Programmelemente einzukaufen, sondern es wurde unter dem Motto „Leben an der Isar“, mit den Isarbrücken und den Isarauen als besonderer Location, ein Gesamtkonzept entwickelt, das einen spezifischen Lebensraum der Münchner Bürger einbezog. Im Sinne von „weniger ist mehr“ wurden z.B. tausende Liegestühle für die Besucher an der Isar aufgestellt, um ihnen die Möglichkeit zu geben, einfach zu relaxen oder Sandburgen mit den Kindern zu bauen.

Um die Geschichte Münchens zu repräsentieren, wurde ein Zeittunnel konzipiert, in dem die Besucher mit allen Sinnen angesprochen wurden: Eine alte Glocke vom Marktplatz läutete, raschelnde Kleider und Menschen in historischen Trachten und alten Fahrzeugen wurden an die Wand projiziert, Opernsänger begannen zu singen – die Inszenierung führte durch die Jahrhunderte der Geschichte Münchens.

RM: Worin bestehen die organisatorischen Herausforderungen bei einer Inszenierung im öffentlichen Raum?

Brigitte Nußbaum: Wichtigster Aspekt war es, sich allen Umständen, Risiken und Problemen bewusst zu sein und die Profis in allen wichtigen Bereichen mit an Bord zu holen. Es erfolgte eine enge Zusammenarbeit mit Organisationen wie Feuerwehr, Wasserwacht und der Polizei, die für die Sicherheit während des Events zuständig waren.

Eine besondere Herausforderung war die Tatsache, dass alles „open air“ stattfand. Wir haben durchgehend Wetterprognosen und Sturmwarnungen abgefragt. Um während der Veranstaltungen für die bestmögliche Sicherheit zu sorgen, wurde alle drei Stunden eine Regiebesprechung mit den 20 Verantwortlichen jedes Bereiches in den Organisationsräumen vor Ort abgehalten. Zuerst wurde hierbei der Ist-Zustand skizziert, um im Hinblick auf diesen, dann jeweils die nächsten drei Stunden zu besprechen und zu planen. Gegenstand waren in diesem Zusammenhang z.B. besondere Vorfälle sowie Wetterüberwachung und Programmplanung. Besonders hervorzuheben ist dabei der Zielgruppenwechsel, der eine genaue Planung erforderte. Abends gab es hauptsächlich Programme für Jugendliche, mit Konzerten und DJs, während man sich tagsüber auf anderes Publikum, Familien, Ältere und Kinder, einstellen musste. Das Risikomanagement beinhaltete die Zusammenarbeit mit den Medien, um eine gute Kommunikation mit den Bürgern z.B. durch Radioansprachen zu erreichen. Der Kontakt zum Münchner Verkehrsbund war wichtig und natürlich auch der zur Polizei. Es gab auch Polizisten, die inkognito unter den Besuchern waren und schnell agieren und reagieren konnten.

Wir hatten vorab Worst-Case-Szenarien durchgespielt und für alle möglichen Fälle einen „Plan B“ entwickelt.

RM: Wie wurde die Dramaturgie der Veranstaltung aufgebaut?

Brigitte Nußbaum: Durch verschiedene und außergewöhnliche Programmelemente auf einer riesigen Fläche konnte eine gewisse Dramaturgie-Kurve aufgebaut werden. Wichtig war eine genau abgestimmte Flächen- und Zeitinszenierung. Für alle Programmteile auf den Bühnen gab es Regisseure. Die verschiedenen Meilen, wie z.B. die Gastronomie-Meile oder auch Parks boten interaktive Programmelemente wie Kunst im Park, Lichter-Meere und Windtheater. Höhepunkte waren außergewöhnliche Künstler und eine große Luftballonaktion. Somit konnte man die Besucher immer wieder neu begeistern und die Spannungskurve in der Dramaturgie der Veranstaltung konnte aufrechterhalten bzw. gesteigert werden. Das Bühnenprogramm steigerte sich z.B. durch den Auftritt von eher unbekannteren Künstlern zu großen Stars.

RM: Wie wurden die Besucher interaktiv einbezogen?

Brigitte Nußbaum: Das Isarbrückenfest stand unter dem Motto „Für die Stadt – aus der Stadt“. Hier wird deutlich, wie wichtig die Interaktion der Besucher für die Veranstalter war. Es wurde im Vorfeld eine Online-Plattform mit Ausschreibungen eingerichtet und außergewöhnliche Ideen der Bürger gesammelt, um somit ein anspruchsvolles Programm für alle Zielgruppen vorstellen zu können. Das Programm reichte von Comedy und Aktionskunst, über Tanz bis hin zu Kochstationen, bei denen die Besucher aufgefordert waren, selbst aktiv zu werden und mitzumachen. Auf den 3 großen Isarbrücken und auf 3 weiteren kleinen Isarbrücken fanden Programme statt. Die Besucher konnten zwischen den Arealen hin und her flanieren und wurden immer wieder mit anderen Momenten der Inszenierung konfrontiert; z.B. mit Opernsängern, die überraschend auf einem Platz auftraten.

Bei einem Bootsbau-Wettbewerb konnten die Münchner Bürgerinnen und Bürger ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Kinder konnten Steine bemalen, Muster mit Steinen legen und sich mit dem Flying Fox in die Tiefe fallen lassen. Höhepunkt war eine Luftballonaktion, bei der man sich mit einem an dem Luftballon angehängten Zettel etwas für sich und die Stadt München wünschen konnte. Es entstand ein phantastisches Bild von tausenden Luftballons verbunden mit einem starken Gemeinschaftsgefühl bei den Besuchern und dem Eindruck, Teil von etwas Großem und Besonderen zu sein.

RM: Was sind die Perspektiven und Trends bei der Gestaltung von Events?

Brigitte Nußbaum: Es gilt Highlights zu setzen: den Menschen etwas Großes und Unvergessliches zu bieten – Welten in Welten darzustellen, modern gestaltet, um Menschen zu begeistern.

Besonders für die junge Zielgruppe sollte mehr Projektionsfläche geboten werden; DJ Contest, Auftritte junger Bands und Tanzwettbewerbe etc. sind geeignet, um junge Zuschauer zu begeistern. Die modernen Medien können hier zum Einsatz kommen, z.B. indem man durch Projektionen auf Häuserwände visuelle Highlights setzt.

Wichtig ist, dass man Geschichten erzählt. Geschichten, die die Zuschauer begeistern und intensiv miterleben lassen, was passiert. Ein Event muss Außergewöhnliches bieten und zugleich den Zeitgeist widerspiegeln.

Dieser Artikel hat Dir gefallen?

Abonniere jetzt den kostenlosen eveosblog Newsletter! Erhalte alle 14 Tage die besten & neusten Artikel per E-Mail. Dazu gibt es die Netzlese: Trends und Aktuelles aus dem Internet. Exklusiv nur im Newsletter!

» Newsletter abonnieren
Teile diesen Artikel
– Werbung – Werbeanzeige

Lies diese Artikel als nächstes…