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Familie & Beruf: Gleichberechtigung in Agenturen – Probleme und Lösungen

Von Katharina Stein 8.6.2017 ~6 Minuten Lesezeit

Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen, ist gerade in Agenturen ein heikles Thema. Einige Mitarbeiter wechseln mit steigender Bedeutung des Familienlebens auf die Auftraggeberseite oder machen sich selbständig. Nicht ohne Grund: Nach wie vor sind die Bedingungen für Frauen und Männer mit Kindern innerhalb vieler Agenturen schwierig! Dafür gibt es nachvollziehbare Gründe und Probleme. Doch es gibt auch Agenturen, die trotzdem mehr Verständnis zeigen und aktiv nach Lösungen suchen!

Im 2016 veröffentlichten Buch „CSR und neue Arbeitswelten“ spricht Daniela Wilken, Inhaberin und geschäftsführende Gesellschafterin der Agentur Wilkenwerk, über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus Sicht einer Agenturchefin. Eine ehrliche und interessante Bestandsaufnahme der Probleme und möglicher Lösungen.

Auch aus Daniela Wilkens Sicht hinken die Entwicklungen innerhalb der Unternehmen den Entwicklungen heutiger Familien hinterher. Manche Agenturen und (mehr) Firmen bieten zwar schon Teilzeitmodelle an, aber diese Angebote sind auf die Machbarkeit im Arbeitsablauf ausgerichtet und nicht auf die tatsächliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf, so ihre Kritik.
Gerade in Agenturen ist die Situation meinem Eindruck nach besonders schlecht. Selbst Teilzeitangebote werden kaum oder ungern angeboten, da ein größerer, interner Organisationsbedarf notwendig wird sowie zwei Mitarbeiter in Teilzeit teurer sind als einer in Vollzeit. Erst vor kurzem habe ich mit einer Mitarbeiterin einer großen, internationalen Werbeagentur gesprochen, die im Gespräch verdutzt feststellte, dass nahezu gar keine Frauen über 30 bei ihnen arbeiten. Wohl kein Zufall und auch kein Einzelfall!

Probleme Familie und Beruf zu vereinbaren haben alle

Auch Daniela Wilken sieht sich bei diesem Thema verschiedensten Problemen ausgesetzt. Das fängt wie bei allen mit den Erwartungen der Kunden an. Hohe zeitliche als auch budgetäre Ansprüche sind für eine familien- und mitarbeiterfreundliche Agentur schwer zu erfüllen. Kurzfristige Anfragen und Projekte machen strukturierte und planbare Arbeitstage nahezu unmöglich. Ebenso können Agenturen, die fast ausschließlich mit jungen Mitarbeitern oder Praktikanten arbeiten, bessere Preise machen als eine Agentur, die nicht nur langjährig erfahrene Mitarbeiter fair bezahlt, sondern auch Teilzeitstellen anbietet. Dabei verfügen viele Kunden selbst über CSR-Strategien, die auch den Umgang mit den eigenen Mitarbeitern beinhalten. Dies wird jedoch nicht auf die beauftragten Dienstleistern übertragen. Hier sind Preis und Schnelligkeit zumeist der ausschlaggebende Punkt.

Bedenken haben viele Arbeitgeber auch dabei, ob ein Projekt tatsächlich mit einer oder zwei Teilzeitstellen gut betreut werden kann. Interne Arbeitsabläufe sind darauf zumeist nicht ausgerichtet und brauchen erst mal ein zeitaufwändiges Umdenken interner Strukturen. Zudem möchten nicht wenige Kunden einen zentralen Ansprechpartner, der möglichst immer erreichbar ist.

Nicht zuletzt wird ein Teilzeitmodell nicht nur mit dem Mitarbeiter in der eigenen Agentur ausgehandelt, sondern indirekt auch mit dem Partner, den Eltern oder der Kindertagesstätte. Wann hat wer Zeit und kann sich Zeit nehmen? Nicht selten sind gerade Frauen darauf angewiesen, dass auch der Arbeitgeber des Partners Verständnis zeigt und ihm oder ihr mehr Flexibilität einräumt, damit die Mutter ihr Arbeitsleben besser organisieren kann. Doch hier stößt man abgesehen von den 2-3 Monaten Elternzeit häufig auf wenig Entgegenkommen. Das klassische Modell – der Mann geht Vollzeit arbeiten, die Frau kümmert sich um das Kind – ist noch vielerorts fest verankert. So bleiben die Handlungsspielräume eng und machen es der Frau und ihrem Arbeitgeber besonders schwer.

Doch es gibt auch Lösungsansätze

Nachvollziehbare Probleme gibt es mehr als genug. Trotzdem lässt auch Daniela Wilken sie nicht als Ausreden gelten und sucht nach Lösungen. Das Wichtigste für sie: Es muss möglich sein, offen und ehrlich miteinander zu reden! Was wünscht sich der/die MitarbeiterIn? Was ist für sie oder ihn, was ist aber auch für die Agentur möglich? Dabei muss nicht nur der Arbeitgeber Verständnis zeigen, auch der Mitarbeiter muss bereit sein, Kompromisse einzugehen. Denn nicht alles ist realisierbar.

Besser sind daher individuelle Modelle anstatt starrer Teilzeitmodelle. Laut Daniela Wilken sollte ein Job auf den Menschen zugeschnitten sein und nicht der Mensch auf den Job. Im individuellen Gespräch sollte daher geklärt werden, was sich der Mitarbeiter wünscht, wie viel er oder sie arbeiten kann. Darauf zugeschnitten sollten Arbeitszeiten, die nötige Flexibilität und vielleicht auch der Arbeitsbereich präzisiert werden.
Eine solche individuelle Anpassung kann nicht nur die Arbeitszeiten, sondern auch die Verträge betreffen. Zum Beispiel könnten Arbeitsstunden vertraglich kurzfristig aufgestockt oder reduziert werden – von beiden Seiten.
Regelmäßige Notlösungen sind keine Lösung – nur um starr vorgegebene Arbeitszeiten irgendwie zu erfüllen!

Hilfreich ist auch der Verzicht auf eine Stechuhrmentalität. Wenn Eltern morgens regelmäßig in Stress geraten, um bloß pünktlich bei der Arbeit zu sein, sorgt das für ein schlechtes Klima. Es sollte möglich sein und von allen akzeptiert werden, dass man auch mal etwas später kommt und dafür irgendwann etwas länger bleibt.
Eine allgemeine Offenheit sollte auf beiden Seiten – MitarbeiterIn und ArbeitgeberIn – vorhanden sein. Zwar müssen bestimmte Grenzen klar definiert und eingehalten werden. Andererseits müssen beide Seiten zeitweilig auch bereit sein, Kompromisse einzugehen. Zum Beispiel, wenn ein Pitch abgegeben werden muss, sollte eine Mutter oder ein Vater auch mal zu Hause erreichbar sein. Sobald das Projekt abgeschlossen ist, müssen vorherige Grenzen aber wieder wie zuvor von allen berücksichtigt werden.

Eine weitere zentrale Stellschraube ist für Wilkenwerk das teambasierte Arbeiten. Dabei hat nicht ein Projektleiter das alleinige Sagen, sondern mehrere gemeinsam. Jeder ist informiert und kennt das Projekt. So kann eine Mutter oder ein Vater bei einem Event auch mal fehlen, ohne dass es vor Ort Probleme gibt. So ist auch immer jemand in der Agentur, der mit dem Kunden sprechen kann. Kurzum, so lässt sich eine Teilzeit-Projektleiterstelle realisieren – wenn sie auch erst mal Überzeugungsarbeit und einer Neuorganisation bedarf.

Fazit

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist und bleibt eine Herausforderung! Alle von uns stehen unter Budget- und Konkurrenzdruck. Alle haben mit hohen Kundenansprüchen zu kämpfen. Zeit und Geld sind ebenso bei allen begrenzt. Doch wer gute und erfahrene Fachleute benötigt, wird auf MitarbeiterInnen mit Kindern nicht verzichten können. Gerade sie sind mit ihren zumeist 30 bis 40 Jahren praxiserfahrene und wertvolle Mitarbeiter! Zudem wird die Bereitschaft, sich für den Job zu verbiegen, in den nächsten Jahren vermutlich noch weiter sinken. Es besteht Handlungsbedarf!

Wobei sich in diesem Kontext auch die grundsätzliche Frage stellt, ob man wirklich alle Kundenansprüche erfüllen muss? Günstig, schnell und jederzeit erreichbar? Klare und faire Grenzen kann man auch gegenüber Kunden kommunizieren. Damit wäre nicht nur Eltern, sondern allen Mitarbeiter geholfen!

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