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10 Jahre PLOT: Über den Stellenwert von Print, Technologien als Selbstzweck und künftige Weltherrschaftspläne

Von Katharina Stein 6.12.2018 ~11 Minuten Lesezeit

Unglaublich, wie die Zeit vergeht! So abgenutzt diese Floskel auch ist, sie stimmt einfach viel zu oft. Da gründet man gefühlt gestern ein Unternehmen, und plötzlich sind 10 Jahre vergangen. So geht es zumindest uns – und wohl auch Janina Poesch und Sabine Marinescu von der PLOT. Das Magazin für räumliche Inszenierungen und Szenografie veröffentlichte 2008 sein erstes, gedrucktes Magazin. 11 PLOT Ausgaben später steht plötzlich das 10-jährige Jubiläum an. Am 19. Oktober 2018 wurde es in Stuttgart mit eine Installation von WHITEvoid groß gefeiert. Leider konnten wir nicht live dabei sein, aber wir möchten uns nicht nehmen lassen, den beiden von Herzen zu gratulieren und sie über ihre letzten 10 Jahre auszufragen.

10 Jahre PLOT: Interview mit Janina und Sabine

Zehn Jahre ist es schon her, dass Ihr PLOT gegründet habt. Gab es einen bestimmten Moment, in dem die Entscheidung dazu gefallen ist? Wie genau habt Ihr angefangen und wisst Ihr noch, wovon Eure erste Ausgabe handelte?

PLOT entstand tatsächlich aus einem persönlichen Interesse heraus: Wir selbst waren unglaublich an Ausstellungsgestaltung und Bühneninszenierungen interessiert und 2007/2008 gab es absolut kein Medium, mit dem wir uns als Gestalter informieren oder auch inspirieren lassen konnten. Also dachten wir kurzerhand: Das machen wir doch einfach selbst – und gründeten PLOT.

Da wir alle noch angestellt waren, haben wir zunächst still und klammheimlich vor uns hinkonzeptioniert, haben Businesspläne erarbeitet, Workshops besucht und an Gründer-Wettbewerben teilgenommen. Bis es 2008 endlich soweit war und wir anlässlich des Internationalen Szenografie Festivals IN3 in Basel unsere erste Ausgabe herausgebracht haben. Jene handelte vom „Debüt“ und wir haben hier Projekte veröffentlicht, die sich jeweils durch ihr eigenes Debüt auszeichneten – denn schließlich wohnt jedem Anfang ein Zauber inne…

Gibt es spannende, lustige oder auch ärgerliche Anekdoten aus den letzten zehn Jahren rund um PLOT und Eure Erlebnisse?

Natürlich gibt es alles: Die ärgerlichen stecken einem bis heute noch in Mark und Bein und es fällt schwer, sie zu vergessen. Aber nur so lässt sich ja bekanntlich lernen. Leider…

Spannende Momente verknüpfen wir meist mit spannenden Begegnungen und uns haben vor allem spannende Menschen unterschiedlichster Disziplinen geprägt. Denn sie sind es, die uns Vertrauen schenken, den Mut geben, weiterzumachen und unglaublich interessante Einblicke in ihre Arbeit und/oder ihr Leben ermöglichen. Aus vielen dieser Bekanntschaften sind mittlerweile Freunde geworden und wir möchten keinen dieser Menschen missen.

Lustige Momente haben wir natürlich auch, wir lachen sogar sehr viel – meistens über uns selbst. So sind wir zum Beispiel schon immer vom Größenwahn besessen gewesen und haben dies zum Anlass genommen, unseren ersten Geburtstag etwas anders zu inszenieren: Nachdem sich unsere Gäste in unserer Location versammelt hatten und von uns weit und breit keine Spur war, unterbrach ein Video diese seltsame Situation und zeigte uns, wie wir gerade konspirativ die Welt einnehmen – inklusive selbstgebasteltem Bombenkoffer und schnurlosem Handtaschentelefon. Natürlich haben wir die Szenerie von außen beobachtet und uns fast weggeschmissen vor Lachen. Was wir sogar heute noch tun: Der Film ist wirklich albern und es ist gut, dass wir die Karriere als Schauspieler nicht ernst genommen haben.

Sind Euch bestimmte räumliche Inszenierungen besonders in Erinnerung geblieben? Warum: Was war so einzigartig an ihnen?

Gerne erinnern wir uns an das Theaterschiff, das zum IN3 2008 von der katalanischen Theatergruppe La Fura dels Baus okkupiert wurde. Es war so laut, dass wir unser eigenes Wort nicht verstehen konnten und durch sämtliche Fugen entwich Nebel. Das war sehr beeindruckend und als eine der ersten Inszenierungen in unserem PLOT-Leben ist uns diese natürlich besonders im Gedächtnis geblieben.

Aber wir haben in den letzten Jahren natürlich noch vieles mehr gesehen, das uns emotional berührt hat. Besonders gefallen uns dabei die Räume, die mit wenigen Mitteln und kleinem Budget Großes bewirken und einen während des Durchschreitens verändern.

Was sind die wichtigsten Dinge, die Ihr in den letzten zehn Jahren gelernt habt? Als Selbständige? Als Herausgeberinnen und Autorinnen? Als Frauen?

Oh, wir haben viel gelernt bzw. wir durften viel lernen! Allen voran als Selbständige: Wir hatten das „Glück“ eine Woche vor der Lehman-Brothers-Pleite zu gründen, waren voll motiviert, mussten allerdings schnell erwachen, denn die Weltwirtschaftskrise hat sich in allen Bereichen, insbesondere in der Verlagsbranche bemerkbar gemacht: Sämtliche Budgets waren eingefroren und wenn bei Unternehmen Geld für Marketing da war, dann haben natürlich unsere etablierten Marktbegleiter davon profitiert. Das war nicht immer einfach und wir mussten schnell lernen, Alternativen zu finden. Aber zum Glück sind wir ein kleines Team und können bis heute flexibler agieren als große Firmen.

Als Journalistinnen mussten wir ebenfalls viel dazulernen, denn auch die Mediennutzung hat sich in den letzten zehn Jahren stark verändert: Informationen erhielten Interessierte damals hauptsächlich über Magazine und Bücher, Blogs waren selten und Social Media gab es in der Form noch nicht. Mit diesen weitreichenden Veränderungen mussten wir mitgehen und werden hier auch in Zukunft immer Schritt halten müssen. Das ist nicht immer ganz leicht, denn manchmal sind wir zu langsam, manchmal sind unsere Nutzer noch nicht so weit. Dieses Austarieren und Ausprobieren beschäftigt uns die meiste Zeit und erst in den letzten Monaten haben wir erkannt, dass dieser Prozess vollkommen in Ordnung ist – schließlich geht es aktuell den meisten so: Alles ist im Wandel.

Und auch als Frauen bleibt das Lernen natürlich nicht aus: Nachdem PLOT ein rein weibliches Unternehmen wurde und wir häufig schrägen Momenten ausgesetzt waren, haben wir uns dementsprechend sehr gefreut als wir die Plattform von Jessica Walsh entdeckt haben: Ladies, Wine & Design. Seit einigen Jahren hat sich die Grafikdesignerin hier zum Ziel gesetzt, Frauen aus der Kreativbranche zu fördern, indem sie das Netzwerk derer ausbaut, die sich untereinander unterstützen möchten. Das Konzept ist mittlerweile in über 200 Städten weltweit von Erfolg gekrönt und wir dürfen die Gastgeberinnen in Stuttgart sein. Daraus sind schon spannende Kooperationen entstanden und wir freuen uns, wenn wir Menschen zusammenbringen können, die an einem Thema interessiert sind und voneinander lernen möchten.

Die Printbranche hat es momentan nicht leicht, so heißt es. Wie seht Ihr das aus PLOT-Sicht? Wie schwer oder einfach ist es, eine Zeitschrift wie PLOT herauszugeben?

Wir möchten ehrlich sein: Wenn es einfach wäre, dann würden wir regelmäßig und dementsprechend auch öfter erscheinen. Es ist nicht schwer, die richtigen Themen zu finden – davon gibt es eine Menge – aber es ist schwer, den richtigen Kanal dafür zu wählen und den Lesern in der richtigen Länge und Tiefe eine kleine Auszeit zu gewähren. Dadurch, dass sich die Mediennutzung in den letzten Jahren so stark verändert hat, haben auch Magazine einen anderen Stellenwert bekommen: Wann nehmen sich Interessierte die Zeit, sich zurückzulehnen und ein Buch oder Magazin zu lesen? Was genau wollen sie dann konsumieren: Hintergrundinformationen oder doch lieber Inspirationen? Wollen sie mit dem Magazin „arbeiten“ oder lieber dazulernen? Das sind alles Fragen, die wir uns täglich stellen und dementsprechend auch darüber nachdenken, ob Print der richtige Kanal ist. Am Magazinmachen hängt unser Herz, damit haben wir angefangen und für Leser werden Magazine auch in Zukunft Relevanz haben.

Allerdings gibt es da ja auch noch die andere Seite der Medaille und wir denken, jeder weiß, dass sich auch der Anzeigenmarkt in den letzten Jahren stark gewandelt hat. Also ist auch hier Umdenken gefragt. Eigentlich ist es ein bisschen wie mit der Automobilbranche: Gut gestaltete Fahrzeuge werden verkauft, obwohl sie dann doch nur in der Garage stehen. Benzin und Öl sind nicht der Antrieb der Zukunft, Elektromobilität aber auch noch keine richtige Alternative. Also muss da noch irgendwas kommen, was den Knoten endlich zum Platzen bringt. Allerdings hat dies dann auch eine Reformation der gesamten Mobilität zur Folge! Wir werden sehen…

Was sind Eure schönsten Aufgaben, was die schwierigsten?

Das schönste ist, wenn wir unterwegs sein dürfen, Neues entdecken, auf Schätze und Kleinode stoßen oder unerwartete Begegnungen haben, die uns emotional berühren. Von diesen Momenten müssen wir dann wieder ein paar Monate zehren, denn nach intensiven Reisephasen kommen wieder die Zeiten, in denen wir uns konzentriert Texten oder Excel-Listen widmen müssen.

Was hat sich Eurer Meinung nach in den letzten zehn Jahren in der Welt der räumlichen Inszenierungen verändert? Zum Positiven oder Negativen?

Eine spannende Frage! Natürlich sind Inszenierungen immersiver geworden und dank Virtual Reality ist es mittlerweile ein Leichtes, in andere Welten einzutauchen und diese beinahe hautnah zu erkunden. Jedoch beobachten wir auch, dass moderne Technologien oft nur zum Selbstzweck eingesetzt werden und die eigentlich zu erzählende Geschichte völlig in den Hintergrund tritt. Aber es ist wirklich spannend zu beobachten, wie Inszenierungen sich natürlich auch dem Zeitgeist anpassen und Vermittlungsstrategien, Raumgestaltung und aktuelle Themen miteinander verschmelzen.

Gerade finden wir faszinierend und erschreckend zugleich wie zum Beispiel Instagram die Ausgestaltung von Architektur, Innenarchitektur und Szenografie beeinflusst: Hotels werben in Katalogen nicht mehr mit ihren schönen Zimmern und der Nähe zum Strand, sondern mit ihrem Insta-Spot, der grüne Papageien vor einer pinken Wand zeigt; die Umkleidekabine im Retail muss gut ausgeleuchtet sein, damit auch ja ein Foto geschossen werden kann; und selbst Museen sind davor nicht gefeit: Das Bällebad, die supermoderne Inszenierung im Foyer sowie das Geschirr im Café sorgen auch hier dafür, dass die Orte in den sozialen Medien geteilt werden und so Aufmerksamkeit bekommen. In gewisser Weise ist das traurig, denn die Menschen haben verlernt, genau hinzuschauen und sich Zeit für etwas zu nehmen, was sie berührt. Andererseits ist das ein faszinierender Mechanismus, der uns auch in Zukunft noch stärker begleiten wird. Die Frage ist nur, wie und ob wir im Bereich der Inszenierungen im Raum darauf reagieren.

Was wird sich in Zukunft noch ändern?

Solange wir uns mit Ausstellungen, Markenauftritten und Bühneninszenierungen mit zukunftsstarken Themen auseinandersetzen, werden sich auch die dazugehörigen Inszenierungen im steten Wandel befinden.

Zum aktuellen Zeitpunkt denken wir, wird es noch mehr Raum brauchen, um kreativ, engagiert und vor allem gemeinsam an der Zukunft zu arbeiten. Die Gestaltung unserer szenischen Räume wird damit flexibel veränder- und an die jeweiligen Bedürfnisse der Nutzer anpassbar. Aus der nonverbalen Vermittlung von Inhalten und der Schnelllebigkeit von visuellen Eindrücken, der Unverbindlichkeit von Scheinwelten und der Benebelung durch Sinnesüberreizung wird eine inszenierte Präsentation mit nachhaltiger Wirkung – ein Ort der verbalen Konfrontation und der persönlichen Begegnung. Aus Erlebnisräumen werden Experimentierräume für das Leben: Jeder Einzelne kann mitforschen, mitdebattieren, mitentscheiden und mitgestalten. Wir werden Räume brauchen, die es ermöglichen, interdisziplinäre Allianzen zu schmieden und uns direkt mit Themen, Werten, Produkten und Marken auseinanderzusetzen, sie im Reallabor und in „Echtzeit“ stattfinden zu lassen und damit auch veränderbar zu machen. Wir werden mit unseren neu inszenierten Räumen viel häufiger Prozesse gestalten, sie selbst zum Gestaltungswerkzeug machen und als Individuen wesentlicher Teil davon werden.

In der Tat werden moderne Technologien bei der Vermittlung von Inhalten durchaus wertvoll bleiben und in Zukunft auch keinesfalls verschwinden, sie werden sich im Idealfall aber eher einer mehr oder minder komplexen Strategie unterordnen, den Raum somit nicht dominieren, sondern die Inhalte vielmehr stärken bzw. unterstreichen.

Gibt es Pläne und Ideen für die PLOT-Zukunft – um endgültig die Weltherrschaft über die räumlichen Inszenierungen zu erlangen?

Ja, die gibt es tatsächlich! 2019 werden wir uns wieder verändern: new.PLOTmag.com! Wir werden unsere digitale Plattform neu strukturieren und zu einem Netzwerk umbauen. Szenografie bzw. Inszenierungen im Raum ist ein interdisziplinäres Gestaltungsfeld und das wollen wir allumfassend abbilden und sichtbar machen. Dabei werden wir aber nicht nur digital einiges zu bieten haben, sondern auch unser analoges Netzwerk weiter ausbauen. Es bleibt also wie immer spannend!

Danke Janina und Sabine – für das Interview und 10 Jahre PLOT!

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