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Event Kollektiv: Compliance in der Praxis der Eventbranche

Von Katharina Stein 7.5.2013 ~8 Minuten Lesezeit

Compliance wird derzeit heißer gekocht als gegessen – so lautete das Fazit einer Diskussion des Event Kollektivs zum Thema Compliance. In kleiner Runde wurde über die Erfahrungen, Eindrücke und Meinungen zum Thema Compliance in der Praxis der Eventbranche gesprochen. Auch wenn es spürbare Einschränkungen gibt, äußern sie sich bei den Beteiligten der Gesprächsrunde nicht sonderlich weitreichend. In der Praxis scheint Compliance mehr eine Art Kaffee-Problematik zu sein, so der Tenor.

Die folgenden Aussagen erheben keinen Anspruch auf allgemeingültige und formelle Richtigkeit, sie sind subjektive Erfahrungen, Eindrücke und Meinungen der Teilnehmer! Beim Event Kollektiv Treffen vom 16.4.2013 waren dabei: Niels Jäger von Ideenreich, Christine Fuchs von Case Hunters, Martin Benkovics von platzpirsch, Katharina Falkowski vom eveosblog und Anne Lee Hahn von Meet Berlin.

Compliance ist in der Praxis eine „Kaffee Problematik“

In der beruflichen Praxis, der am Gespräch beteiligten Personen, äußern sich Compliance-Probleme nicht wirklich akut. Es sind mehr „störende Kleinigkeiten“, die die Kundenbindung und Handlungsfreiheit einschränken. Wie z.B. die Ablehnung einer Einladung zum Kaffee. Das sind Lappalien und sicherlich keine Bestechungsversuche, die unbedingt unterbunden werden müssen. Doch die Mitarbeiter größerer Firmen haben Angst etwas falsch zu machen. Es wird Panik geschürt, viele Angestellte sind sich unsicher, wann sie die Grenze überschreiten und womöglich Ärger bekommen.

Compliance ist generell ein Thema, das derzeit hauptsächlich bei großen Unternehmen auftritt. Dort wo sich auch Compliance Manager finden lassen. In kleineren Firmen und Agenturen ist es meist übersichtlicher. Dort läuft sowieso vieles über den Tisch des Chefs, der dann ein Auge darauf hat, wer was geschenkt bekommt oder wohin eingeladen wird.

Compliance wird nicht sinnvoll betrachtet

Ein einheitlicher Kritikpunkt ist, dass Compliance nicht wirklich sinnvoll betrachtet wird. Wann und wie kann man Beeinflussung oder Bestechung wirklich verhindern? Das sollte die zentrale Frage sein – die sich in der Praxis aber nicht wirklich widerspiegelt. Dabei können die Richtlinien durchaus sinnvoll sein, keine Frage. Im Prinzip ist das eine gute Sache. Doch aktuell äußert sich Compliance in der Praxis als bloße Regulierungswut und nicht selten in Kleinigkeiten. In der Praxis erschwert es in erster Linie die Kundenbindung und -pflege.

Die Tatsache, dass es keine einheitlichen Regeln gibt, erschwert die Situation. Jeder kocht sein eigenes Süppchen und niemand weiß so recht, wie man sich verhalten kann und darf. Konkrete Referenzen, Urteile oder Fakten gibt es nicht. So wird alles nur undurchsichtiger anstatt transparenter.

Aktuell erscheint Compliance in der Praxis eher ein Thema zur öffentlichen Image-Aufhübschung zu sein – ähnlich wie Green Washing. Nach Außen hin zeigt man, dass man einen Compliance Manager hat, angeblich sauber ist, selbst einen Kaffee nicht annimmt – doch die wirklichen zu unterbindenden „Geschäfte“ laufen doch in Wahrheit auf einer ganz anderen Ebene ab.

Schließlich finden viele Dinge, die in der Compliance-Praxis aktuell problematisiert werden, bereits recht öffentlich statt. Gemeinsame Essen mit mehreren Mitarbeitern oder Fam Trips etc. Das kriegt jeder oder zumindest mehrere Personen mit. Problematisch wird es doch vielmehr dort, wo Einzelpersonen privat profitieren: eine Reise mit der Frau geschenkt bekommen. Hier weiß ein aufgeklärter Mensch auch ohne Regeln, dass er eine Grenze überschreitet. Hier ist eine eindeutige Abgrenzung aber auch möglich. Viele andere Compliance Regeln können das aber nicht eindeutig für jeden Fall regulieren. Dafür sind die Situationen viel zu individuell. Ob ein Geschäftsessen 30 oder 80 Euro pro Person kostet – macht das wirklich einen Bestechungsversuch aus?

Die Eventbranche triffts unter anderem besonders hart

Gerade nachdem verschiedene Politiker-Affären und Bunga Bunga Parties durch die Medien gingen, steht besonders die Eventbranche im Verruf eine unmoralische Bestechungsbranche zu sein. Einzelne Firmen haben übertrieben und die ganze Branche muss jetzt darunter leiden. Die meisten setzen Events und Reisen mit Spaß, wenn nicht mit noch Schlimmeren ;), gleich, aber so einfach ist das nicht.

Gerade in der Eventbranche sind Dinge wie beispielsweise Fam Trips und Site Inspections ganz normale und wichtige Informationen für einen Eventplaner! Das mag für Außenstehende nach Spaß auszusehen, wenn man z.B. 2-3 Tage in Spanien unterwegs ist. Doch wenn man genau hinschaut, ist das ein Nonstop-Programm, man schaut sich eine Location nach der anderen an, muss Termine und Verkaufsgespräche wahrnehmen und hat vielleicht mit etwas Glück mal eine Stunde Freizeit. Das ist Arbeit und wirklich nichts womit man einen erfahrenen Eventplaner bestechen könnte!

Doch trotzdem werden es die Fam-Trips immer schwerer haben. Auch Hosted Buyer Programme werden immer öfter ausgeschlagen, wurde beim Gespräch berichtet. Es gibt bereits Firmen, die die Einladung ablehnen und den Besuch aus eigener Tasche zahlen – aufgrund von Compliance Regeln. Naja, vielleicht auch, weil man dann frei entscheiden kann, mit wem man wann redet und es vielleicht auch effektiver ist ;)

In dem Zusammenhang muss man sich gerade in der MICE- und Eventbranche fragen, ob verschiedenste „reguläre“ Zuwendungen oder z.B. ein Fam-Trip wirklich Einfluss auf die Vergabe eines Jobs haben? Die Beteiligten der Event-Kollektiv-Runde sind (sowohl aus Auftraggeber- als auch aus Auftragnehmersicht) der eindeutigen Meinung: nein. Nicht in der Form, wie sie öffentlich bekannt sind (Kaffee, kleinere Geschenke, gemeinsames Essen, offizielle Kundenevents, Fam-Trips etc.).

Andererseits könnte Compliance zu besseren Events führen – doch viele Veranstalter haben daran gar kein Interesse

Eine sicherlich sehr gute Seite der Compliance Diskussion ist, dass Events nun deutlich gehaltvoller und weniger Spaßcharakter haben müssen oder vielmehr sollten. Das sollten sie nicht nur aus Compliance-Sicht, sondern auch aus Effektivitäts-Sicht! Doch hier ist das Problem innerhalb der Event- und MICE-Branche noch ganz anders gelagert. Viele der typischen Veranstalter aus dem MICE-Bereich haben gar kein Interesse daran ihre Events inhaltlich gehaltvoller zu gestalten, so der Eindruck der Teilnehmer. Effektivität und ROI sind keine großen Themen. Man liefert Zahlen und Kontakte ab, nach dem Wert und Nutzen wird nur selten gefragt. Viel leichter ist es eine kleine Gebühr zu nehmen, aber nichts am eigenen Konzept zu ändern.

Dieser Zustand macht andererseits aber nochmal deutlich, dass es hier wohl kaum um Bestechungsversuche gehen kann. Denn es verdeutlicht, dass zumindest die Einladungen dieser Art meist gar keine großen Effekte haben bzw. ein Effekt nicht kontrolliert wird. Und eine Bestechung, die keinen Effekt hat oder haben muss, ist nicht wirklich eine Bestechung, oder?! Wobei sich diese Sicht und Situation wirklich nur innerhalb der angesprochenen Bereiche so deuten lässt.

Keep calm and stay cool

Vielleicht sollten wir uns daher alle etwas beruhigen und dem Thema in der Praxis nicht zu panisch begegnen. Denn all die Geschenke und Einladungen, die wir da manchmal loswerden möchten oder bekommen, bringen meist gar nicht so viel, wie man uns mit dieser Compliance-Propaganda unterstellt.

Daher waren die abschließenden Ratschläge der Gesprächsrunde für den Umgang mit Compliance eher realistisch und unaufgeregt. In vielen Situationen kann man auf sein Bauchgefühl achten. Nicht zuletzt bieten steuerliche Grenzen wie z.B. 35 Euro für Geschenke, die man absetzen kann, eine gewisse Orientierung.
In größeren Betrieben, wo der Chef nicht mehr überall ein Auge drauf haben kann, sind nachvollziehbare, klare, sinnvolle und realistische Regeln natürlich mehr als sinnvoll. Vor allem, wenn Einzelpersonen privat von Geschenken und Zuwendungen profitieren. Hier kann auch schon das gemeinschaftliche Teilen von Geschenkkörben & Co. bereits vollkommen ausreichen – anstatt alles kategorisch abzulehnen. Doch vor allem sollten alle Beteiligten aufhören kleinliche Angst zu haben und zu schüren, so dass Mitarbeiter bereits das Schlimmste befürchten, wenn sie einen Kaffee annehmen. Damit ist keinem geholfen und Bestechung sicherlich nicht aus der Welt!

Trotzdem sah man in der Gesprächsrunde eindeutig die Verbände wie u.a. den GCB, FAMAB, Veranstaltungplaner, MPI, DTZ in der Pflicht. Hier sind eine effektive Lobbyarbeit und politisches Engagement notwendig! Alle Verbände sollten ihre Kräfte bündeln und gemeinsam versuchen etwas zu bewirken, um Compliance sinnvoller anzugehen und allen die Situation zu erleichtern, anstatt unnötig und ineffektiv zu erschweren.

Was ist das Event Kollektiv?
Das Event Kollektiv ist eine offene Gruppierung, in der sich wechselnde Beteiligte der Event- und MICE-Branche regelmäßig online sowie offline treffen. In kleinem Kreis wird über verschiedene branchenrelevante Themen offen und ehrlich diskutiert. Ein erstes Treffen hatte im letzten Jahr in Frankfurt stattgefunden. Am 16. April 2013 hat man sich zum ersten Online-Treffen via Google Hangout zum Thema Compliance zusammen gefunden.

 

Wie sind Deine Erfahrungen und Eindrücke zum Thema Compliance in der Praxis der Eventbranche?

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