Vielen EventdienstleisterInnen wurde durch Corona die Arbeitsgrundlage entzogen. Doch manche konnten – sofern es ihr Geschäftsfeld zuließ – auch neue Angebote für u.a. digitale Konferenzen entwickeln. Wie beispielsweise die Kongress-Software Converia. Zuvor betreuten sie vornehmlich das Teilnehmermanagement von analogen Konferenzen. Seit September 2020 bieten sie nun auch die Converia Virtual Venue an, die sich als Gesamtlösung für virtuelle und hybride Tagungen und Kongresse versteht. Welche Erfahrungen und Einsichten hat eine solche Firma, die mittlerweile beide Seiten gut kennt, aus der Betreuung digitaler Konferenzen gewonnen? Wir haben mit Laura Wirsing, Marketing & Kommunikation bei Converia, gesprochen. Sie sieht u.a. beim Networking noch Luft nach oben, aber dass Konferenzen danach wieder genauso aussehen wie vorher, hält sie für unwahrscheinlich.
Die COVID-19 Pandemie feiert derzeit ein bedrückendes Jubiläum: schon ein Jahr hält uns das Virus in Atem! Neben all den negativen Nachrichten und Problemen konnten wir aber auch viel lernen, wurden überrascht und von neuen Ideen fasziniert. Wir haben das zum Anlass genommen, verschiedene Menschen aus der Live-Kommunikation nach ihren Erfahrungen, Einschätzungen und Aussichten zu fragen.
Interview mit Laura Wirsing über digitale Konferenzen, Erfahrungen und Erkenntnisse
Was war die für Dich interessanteste digitale Konferenz, die ihr realisiert habt?
Laura Wirsing: Da waren einige dabei. Besonders interessant war zum Beispiel der Embedded Software Engineering Kongress Ende 2020, den wir schon im vor-virtuellen Zeitalter betreut haben. Das Organisationsteam war dem digitalen Format gegenüber sehr aufgeschlossen und hat interessante Wege gefunden, den Kongress an die veränderten Bedingungen anzupassen und dabei gerade aus produktionstechnischer Sicht extrem professionell agiert.
Es gab gleich vier parallele Livestreams und insgesamt über 140 Vorträge, Live-Seminare und Interviews. Die Mischung aus unterschiedlichen Formaten sorgte dafür, dass der Kongress für die mehr als 1.100 Teilnehmenden zu keiner Zeit langweilig wurde. Und das Team hat mit dem kostenfrei buchbaren Sponsorentag eine gute Möglichkeit gefunden, Sponsoren direkt zum Teil des Programms zu machen und ihnen damit die Sichtbarkeit verschafft, die bei virtuellen Konferenzen so oft verloren geht, wenn sich kaum jemand auf den Sponsoren-Menüpunkt der Konferenz-Plattform verirrt.
Was sind die Deiner Meinung nach grundsätzlich vielversprechendsten Ansätze digitaler Konferenzen?
L.W.: Ich denke da speziell an alle, die es verstehen, Teilnehmende aktiv einzubeziehen und diese nicht nur als Konsumierende von Inhalten zu sehen. Online macht sich Eintönigkeit viel schneller bemerkbar, weshalb etwa 45-minütige Frontalvorträge aus jedem Programmplan gestrichen werden sollten.
Digitale Konferenzen haben keine Kapazitätsbeschränkungen und stehen viel mehr Menschen offen – das ist Potenzial, das genutzt werden muss. Erreichen lässt sich das durch kurze, prägnante Formate, bei denen der Input der Teilnehmenden an jeder Stelle mitgedacht wird, etwa durch Diskussionen im Chat mit anderen, durch Umfragen oder indem sie direkt live per Video ins Geschehen geholt werden. Wann immer sich VeranstalterInnen also von analogen Denkmustern verabschieden und auch mal spontan agieren, wird am Ende ein Erlebnis stehen, das alle Beteiligten weitergebracht und bestenfalls auch noch Spaß gemacht hat.
Wie viele digitale Konferenzen habt ihr bereits betreut? Was habt ihr aus diesen Erfahrungen gelernt?
L.W.: Insgesamt haben wir schon um die 100 virtuelle und hybride Veranstaltungen betreut, und es lässt sich sagen, dass die bereits gelaufenen sehr gut funktioniert haben und wir immer wieder positives Feedback von VeranstalterInnen und Teilnehmenden erhalten.
Gezeigt hat sich, dass die Vorbereitung nicht unterschätzt werden darf. Auch wenn bei virtuellen Konferenzen alle mit der Location verbundenen Aufgaben wegfallen, gibt es nicht weniger zu tun. Die Aufgaben verteilen sich nur auf andere Bereiche.
Wir beobachten außerdem manchmal, dass es bei der Vernetzung unter den Teilnehmenden noch Luft nach oben gibt. Genau wie nicht jede Person vor Ort völlig Fremde einfach so ansprechen will, existiert dieselbe Hürde auch online. Unbekannten einfach mal eine Nachricht zu schreiben oder einen Videochat zu beginnen, können sich viele nicht vorstellen. VeranstalterInnen helfen dem durch ein Rahmenprogramm auf die Sprünge, das Teilnehmenden die Gelegenheit gibt, sich in ungezwungener Atmosphäre kennenzulernen. Solche Icebreaker funktionieren online richtig gut.
Ein großes Problem ist auch, dass manche Veranstalter Tools verschiedener Dienstleister nutzen, ohne sich im Vorfeld zu erkundigen, ob zwischen diesen überhaupt Daten ausgetauscht werden können. Das kann dazu führen, dass die bei der Registrierung erfassten Personendaten und die Zugriffsrechte für die gebuchten Programmpunkte auf der virtuellen Plattform noch mal extra manuell nachgetragen werden müssen oder sich Teilnehmende für jede Anwendung separat anmelden müssen – beides nicht schön.
Letztes Jahr blieben Datenschutzaspekte außerdem noch oft auf der Strecke. Einige VeranstalterInnen, die inzwischen auf unsere Lösung umgestiegen sind, haben ihre Konferenz vorher mit anderen Mitteln realisiert, weil es ihnen vordergründig darum ging, die Veranstaltung überhaupt irgendwie stattfinden zu lassen. Weil diese Anwendungen oft nicht datenschutzkonform waren, hätte das auf lange Sicht enorme Probleme verursachen können.
Bietet eure Software auch Möglichkeiten das Verhalten der Teilnehmenden zu analysieren? Es heißt ja, dass digitale Konferenzen und Events darüber bessere Möglichkeiten bieten, die Menschen, ihr Verhalten und damit den Erfolg einer Veranstaltung einzuschätzen als analoge. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht?
L.W.: Analysemöglichkeiten und Statistiken zur Nutzung der Plattform stellen wir VeranstalterInnen immer nach Ende der Konferenz zur Verfügung. Da lässt sich zum Beispiel sehen, wie viele Teilnehmende zu welchen Zeiten online waren, wie stark die Sessions besucht, wie viele Nachrichten versendet oder wie oft die Sponsorenprofile aufgerufen wurden.
Anhand solcher Daten erkennen OrganisatorInnen, welche Angebote wie stark den Nerv des Publikums getroffen haben. Das funktioniert oft wirklich ein ganzes Stück besser als analog, gerade in Verbindung mit Umfragen zur Zufriedenheit der Teilnehmenden oder mit den Bewertungen zu Sessions, die sie selbst auf der Plattform abgegeben haben.
Alles zu tracken, nur weil es technisch ginge, ist aber wenig sinnvoll, weil es dann umso schwieriger wird, die relevanten Daten rauszufiltern. Und die Erfassung sollte immer anonymisiert erfolgen. Einer Erstellung eines genauen Bewegungsprofils, das mit meinen persönlichen Daten und vielleicht sogar noch dem Inhalt meiner verschickten Chat-Nachrichten verknüpft wird, würde ich als Teilnehmerin einer Konferenz sicher nicht zustimmen und fände das auch sehr unheimlich.
Wie schätzt du den Stand derzeitiger digitaler Konferenzen ein?
L.W.: Verglichen mit letztem Jahr fällt uns gerade immer wieder auf, wie gut die meisten Veranstaltungsteams inzwischen aufgestellt sind und wie sie mit viel klareren Vorstellungen an die Planung ihrer Konferenzen gehen und häufig schon wissen, auf welche Aspekte sie besonderen Wert legen und was die Software können muss. Vor ein paar Monaten war die Situation in der Hinsicht noch eine ganz andere und hauptsächlich von Unsicherheit und Zögern bestimmt. Manche hofften damals noch darauf, schnell wieder zu ihren Präsenzveranstaltungen zurückkehren zu können, als sich ganz neu im Virtuellen orientieren zu müssen.
Dass sich das Bild gewandelt hat, liegt sicher auch daran, dass mittlerweile viele selbst die ein oder andere virtuelle Konferenz aus der Perspektive der Teilnehmenden erlebt haben, und digitale Werkzeuge heute viel selbstverständlicher im Arbeitsalltag einsetzen. Die wegfallende Berührungsangst vor dem Umzug in den virtuellen Raum sorgt dafür, dass die Formate und Inhalte hochwertiger werden, weshalb ich denke, dass sich Online-Veranstaltungen künftig noch ein ganzes Stück weiterentwickeln werden.
Und wie wird es weitergehen? Wie werden Konferenzen nach bzw. mit Corona aussehen?
L.W.: Dass Konferenzen danach wieder genauso aussehen wie vorher, ist unwahrscheinlich. Die Vorteile virtueller Veranstaltungen sind zu zahlreich und die Entwicklung hin zu Online-Formaten war zu überfällig, als dass Teilnehmende und Organisierende künftig ganz darauf verzichten werden. Aber erst mal werden natürlich alle froh sein, sich wieder nicht-virtuell begegnen zu können, weshalb sich die Zukunft für Konferenzen irgendwo dazwischen, im Hybriden, einpendeln wird.
Die Vermischung von Präsenz und digital passt ja auch ganz gut zum Klimaschutz – ein Thema, das nach Corona bestimmt wieder stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken und vielleicht für einige Flugreisen weniger sorgen wird. Und vielleicht werden Teilnehmende vor Ort in Zukunft mehr auf ganz simple Hygieneregeln achten, wovon letztlich auch alle anderen profitieren.
Laura, danke für Deine Erfahrungen und Einblicke!
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