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Sicherheit bei Veranstaltungen – Loveparade 2010 – die organisierte Unverantwortlichkeit?

Von Wolf Rübner 26.8.2010 ~4 Minuten Lesezeit

Was mich wirklich wütend macht – der menschlichen Tragödie am 24. Juli 2010 folgte ein moralisches Desaster – das „Schwarze-Peter-Spiel“. Dieses unwürdige Schauspiel zeigt ein bekanntes Muster: Oben die Würdenträger (der Oberbürgermeister, der Geschäftsführer des Veranstalters, der Polizei-Präsident), in der Mitte die Bedenkenträger (Leiter des Bauordnungsamtes, Feuerwehr und Polizei des Mittleren Dienstes) und unten die Bürdenträger. Zum Beispiel der arme Sachbearbeiter der Unteren Bauaufsicht im Duisburger Amt für Baurecht und Bauberatung, der die Organisatoren von der Vorschrift befreite, die vorgeschriebenen Breiten der Fluchtwege einhalten zu müssen. Außerdem verzichtete der Beamte auf Feuerwehrpläne. Das von „Spiegel online“ zitierte Schriftstück vom 21. Juli 2010 mit dem Aktenzeichen 62-34-WL-2010-0026 trägt den Titel „Genehmigung einer vorübergehenden Nutzungsänderung“. Es richtet sich an die Berliner Lopavent GmbH als Veranstalter der Loveparade.

In den Medien wurde bereits ausgiebig Ursachenforschung betrieben, so dass ich mich hier mit den Schlussfolgerungen für das Alltagsgeschäft von Veranstaltungsplanern in Unternehmen und Agenturen beschäftigen möchte.

Keine Experimente

Die Versammlungsstätten-Verordnung liefert in Verbindung mit den Regeln für den Sanitätsdienst bei Großveranstaltungen eine zuverlässige Planungsgrundlage. Man muss nur nach allen Regeln der Kunst planen und verantwortlich handeln. Wie meistens reichen die Gesetze aus, man muss sie nur konsequent anwenden. Die Sicherheit von Teilnehmern großer und kleiner Events hat immer und überall höchste Priorität. Das ist die Botschaft von Duisburg.

Das Bewusstsein bestimmt das Sein

Von jeder Menschenmenge geht Gefahr aus, wie auch von den bei Veranstaltungen eingesetzten technischen Geräten. Darüber sind sich nach meiner Erfahrung viele Eventmanager nicht bewusst. Aber man ist fast immer verantwortlich. Eine (unbequeme) Wahrheit, die nicht nur lt. § 38,1 der MVSTättV für den Betreiber der Versammlungsstätte gilt, sondern auch für den Veranstalter und den Veranstaltungsleiter gelten kann. Die Frage, die sich der Eventmanager stellen sollte, bin ich Veranstalter oder Veranstaltungsleiter? Wenn ja, dann ist er in der Pflicht. Und falls nein – wenn Sie feststellen, dass ein Notausgang versperrt ist, schauen Sie weg, nur weil Sie nicht zuständig sind?

Projektmanagement – Methodik schlägt Intuition

Projektmanagement geistert manchmal als Begriff auf Visitenkarten von insbesondere Agenturen. Aber häufig ist es nur ein Etikett und keine Haltung. Dabei ist Projektmanagement eine ernste Angelegenheit, die man sogar studieren kann. Zur Vorbereitung eines Projektes gehört standardmäßig eine SWOT-Analyse, ein Akronym für ‚Strength’, ‚Weakness’, ‚Opportunities’ und ‚Threats’. Machen Sie sich also beim nächsten Event die Mühe, Ihre Veranstaltung auf Risiken hin zu analysieren. Sie werden erstaunt sein.

Sachkundige Aufsichtsperson

Mit der Versammlungsstättenverordnung (VStättVO) NRW werden seit dem 14.11.2006 erhöhte Anforderungen an das Aufsicht führende Personal in Versammlungsstätten und an die Veranstalter gestellt. Die Sicherheit der Gäste und Beschäftigten hat höchste Priorität. Das fordert mehr Eigenverantwortung von Betreibern und Veranstaltern.

Die Weiterbildung zur „Sachkundigen Aufsichtsperson“ gemäß § 15 BGV C1 (Unfallverhütungsvorschrift der Berufsgenossenschaft) und § 40 VStättVO NRW erhöht schnell und dauerhaft die Kompetenz von Eventmanagern und die Sicherheit von Events. In 3-tägigen Seminaren werden die Teilnehmer in die Lage versetzt, in Zusammenarbeit mit einem Verantwortlichen für Veranstaltungstechnik, Veranstaltungen sicher durchzuführen und Sicherheitsmängel zu erkennen.

Ausbildung statt learning by doing

Langfristig hilft nur die intensivere Behandlung der Veranstaltungssicherheit im Rahmenlehrstoffplan der Veranstaltungskaufleute (IHK) und der Curricula der Studiengänge ‚Eventmanagement’ an Hochschulen. Handicaps: der bildungspolitische Flickenteppich und Laien, die Studieninhalte konzipieren. Einige Hochschuldozenten, zu denen auch der Autor gehört, haben sich in Reaktion auf das Unglück in Duisburg auf dem „kleinen Dienstweg“ schon ausgetauscht.

Das Prinzip ‚Selbstverantwortung’

Das gleichnamige Buch von Reinhard Sprenger legt den Finger in die Wunde des Zeitgeistes, wie er sich leider wieder in Duisburg gezeigt hat. In einer hoch spezialisierten Gesellschaft wird Verantwortung atomisiert. Das persönliche Verantwortungsgefühl des Einzelnen nimmt ab. Der Veranstalter, die Genehmigungsbehörde, der Versammlungsstätten-Betreiber und der Event-Projektleiter (Veranstaltungsleiter) bilden jedoch eine Verantwortungsgemeinschaft. Deren schwächstes Glied ist die Soll-Bruchstelle…. Manchmal braucht man Zivilcourage, um den scheinbar übermächtigen „Würdenträgern“ zu widerstehen.

Bildquelle: ThisParticularGreg

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