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Tragen wir die Verantwortung für die Folgen unserer Botschaften und Events?

Von Katharina Stein 14.3.2019 ~5 Minuten Lesezeit

Ich muss zugeben, dass ich nicht selten mit unserer Branche – sowie dem Marketing generell – hadere. Denn nicht selten stammen besonders imposante, aufwändige oder sehenswerte Live-Kommunikations-Projekte von Unternehmen, die ich persönlich eigentlich ungern unterstütze.

Gemeint sind in Extremfällen Gewinn orientierte Konzerne oder Marken, die unverantwortlich und ignorant ihre Interessen verfolgen – egal mit welchen Mitteln und unabhängig davon, ob es der Umwelt oder Menschen schadet. Das trifft ganz sicher nicht auf alle Unternehmen zu und es gibt einen großen für die meisten wohl akzeptablen Graubereich. Doch so richtig gut fühlt man sich nicht, manchen Firmen zu einem guten Event bzw. in meinem Fall, zu mehr PR zu verhelfen.

Die wenigsten sind in der Lage auf Projekte von Unternehmen zu verzichten, deren Verhalten oder Produkte nicht zu einem Großteil „korrekt“ sind. Das ist mir völlig klar. Gerade sie haben das Geld für Marketing-Events – über die ich an sich gerne schreibe, die Dich natürlich interessieren und mit denen die Agenturen und Dienstleister ihr Geld verdienen. Doch wo zieht man eine Grenze? Zieht man überhaupt eine Grenze? Macht man es vom Auftraggeber oder jedem einzelnen Event und seinen kommunizierten Inhalten abhängig?

Ich habe ehrlich gesagt, noch zu keinem zufriedenstellenden Umgang damit gefunden. Gerade deswegen interessiert mich, ob das auch für euch, für Dich ein Thema ist? (Siehe Umfrage ganz unten)

Wir müssen uns kritischer mit unseren Botschaften auseinandersetzen

Bislang habe ich nur sehr wenige Stimmen und konkrete Meinungen dazu gehört. Doch dann habe ich mit Freude und Interesse die Dankesrede von Roland Lambrette gelesen. Als Mit-Gründer von Atelier Markgraph und Rektor der Hochschule für Künste (HfK) Bremen wurde er in diesem Jahr vom ADC für sein Lebenswerk ausgezeichnet. In seiner Rede macht er sich genau darüber Gedanken und ist der festen Überzeugung, dass „wir alle – Unternehmen, Marken und Agenturen, jeder und jede einzelne von uns – sich viel, viel kritischer mit den Botschaften auseinandersetzen [müssen], die wir aussenden“.

Dankesrede von Prof. Roland Lambrette

Zur Auszeichnung des Lebenswerkes durch den Art Directors Club Deutschland am 21. Februar 2019

Ein Auszug aus dem Manuskript, das wir vor der Night of Honour erhalten haben. Es kann sein, dass die Inhalte nicht komplett mit der tatsächlichen Rede übereinstimmen.

Wir alle – auch ich – berauschen uns an der Aufmerksamkeitsökonomie und bestätigen uns gegenseitig, wie gut wir das machen. Ich selbst komme heute Abend in den Genuss einer solchen Bestätigung.

Darüber müssen wir uns der Tatsache stellen, dass sich die Zeiten wieder einmal geändert haben. Ich rede jetzt nicht von Trump und der AfD, die ihre eigenen Kanäle haben und uns nur indirekt als Echoraum benutzen sondern ich meine unser eigenes Rollenverständnis.

Wir lassen uns von unseren Kunden zu Höchstleistungen treiben, bescheren ihnen Wow-Effekte, die sie, ihre Produkte und Anliegen in aller Munde und Köpfe bringen.

Aber das Publikum ist durch unser Kommunikations-Feuerwerk und unsere Vollgas-Mentalität erschöpft. Und gleichzeitig stumpfen dabei auch unsere Instrumente ab. Sogar die Provokation, die Oliviero Toscani zur Meisterschaft gebracht hat, der heute ebenfalls geehrt wird.

Wir leben in einer erschöpften Gesellschaft, die anfängt, jedes Höher, Schneller, Weiter zu verweigern. Deswegen wird es höchste Zeit, wieder die leisen Töne zu entdecken und für die richtig wichtigen Dinge eine angemessene Sprache zu finden.

Wir müssen davon runter, an alles und jedes Geschmacksverstärker zu rühren, überall Zucker und Lautstärke dazu zu geben, schrill, blendend und am besten viral zu sein. Um auf Nummer sicher zu gehen, erhöhen wir ständig die Dosis unseres ‚Opiums’ für das Volk.

Für dieses Opium – das wir verharmlosend „Kommunikation“ nennen – geben die Deutschen pro Jahr ca. 50 Milliarden Euro aus! Schreibt brand eins.

Mit diesen immensen Mitteln generieren wir Träume, Ziele, Bedürfnisse. Mit unseren Tools vermitteln wir auf intensivste Art und Weise Werte und Haltungen. Für die Folgen tragen wir die Verantwortung – niemand sonst.

Im Vergleich dazu sieht die Politik blass aus. Sie hat nur das Wort. Der Politik gelingt es kaum, glaubwürdige Bilder und Geschichten von einer erstrebenswerten Zukunft zu erzählen. Sie begeistert immer weniger Menschen, beschäftigt sich mit Personalien und damit vor allem mit sich selbst.

Meine feste Überzeugung ist: Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir alle – Unternehmen, Marken und Agenturen, jeder und jede einzelne von uns – sich viel, viel kritischer mit den Botschaften auseinandersetzen, die wir aussenden.

– Wir müssen unsere Briefings hinterfragen.
– Wir müssen Auftraggeber mit Widersprüchen konfrontieren, wenn sie unverantwortliche Bedürfnisse wecken und Produkte anpreisen wollen, von denen wir längst wissen, dass sie einfach nur überflüssig sind.
– Widerspruch darf nicht als ineffizient abgetan werden. Honorare sind kein Schweigegeld!

Wir brauchen eine Kommunikation, die den Kopf nicht in den Sand steckt und alle Probleme der kommenden Generation überlässt.

Und hier kommt dem ADC eine besondere Rolle zu: Der ADC ist eine äußerst machtvolle Institution. Der Club ist die Heimat der Kommunikatoren. Deswegen hat der ADC die Chance und die Verantwortung, mit uns und für uns eine neue Ethik der Kommunikation zu entwickeln.


Enttäuschend finde ich, dass seine Rede scheinbar in fast gar keinem Branchenmedium wirklich aufgegriffen oder nur mit sehr wenigen Worten abgespeist wurde. Ist das (k)ein Thema für die Branche? Wie siehst Du das?

Umfrage: Verantwortungsbewusstein in der Live-Kommunikation

[Die Umfrage ist beendet!]

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