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Eventformate für Jugendliche brauchen neben Spaß auch Tiefgang und Relevanz: TEDxYouth@München

Von Katharina Stein 13.8.2019 ~9 Minuten Lesezeit

Wie spricht man eine jugendliche Zielgruppe um die 20 Jahre an? Mit Spaß, Beauty und Youtubern? Ein verbreitetes Klischee. Die Veranstalter der ersten TEDxYouth@München haben ihre jungen Gäste ernst genommen, gleichaltrige Speaker und Teammitglieder einbezogen und eine interessierte Generation mit viel Wissen und einer guten Diskussionskultur erlebt. Eine Generation von Eventbesuchern, die sich durchaus von älteren Besuchern unterscheidet. Jugendliche äußern ihre Kritik sehr offen, reagieren sensibler auf fehlende Authentizität und haben ein vielschichtigeres Qualitätsempfinden. Als Veranstalter muss man sich darauf einstellen. Für Florian Zibert war es trotzdem eines der coolsten und sinnvollsten Eventprojekte seiner Laufbahn. Warum, erzählt er uns in einem Interview.

Zibert+Friends Consulting veranstaltet seit 2015 die TEDxMünchen. In diesem Jahr haben sie sich an ein weiteres Format gewagt und die erste TEDxYouth@München umgesetzt. Das Festival mit Vortrags-, Diskussions-, Workshop- und Entertainmentformaten richtet sich an ein internationales Publikum, das um die 20 Jahre alt ist. Florian Zibert ist Geschäftsführer und ShapeShifter bei Zibert+Friends Consulting.

Warum eine Veranstaltung für Jugendliche?

Florian Zibert: Seit Jahren beschäftigen wir uns als TEDxMünchen und auch als Zibert + Friends Consulting mit der notwendigen Fortentwicklung unserer Welt. Dabei zeichnet sich immer wieder das gleiche Bild: Alle sprechen von Veränderung – wenige verändern aber dann wirklich was. Das betrifft Unternehmen genauso wie uns alle als Privatpersonen. Dabei zählt meist nur der kurzfristige (wirtschaftliche) Erfolg. Ein langfristiger Blickwinkel, insbesondere mit Blick auf die nachkommenden Generationen, fehlt oft.

Mit der TEDxYouth@München ist es uns ein Anliegen, die junge Generation der um die 20jährigen zu ermutigen, die von uns Erwachsenen vorgezeichneten Wege und Systeme in Frage zu stellen, und so viel Wucht wie möglich zu entwickeln, um ihre heutigen, aber vor allem zukünftigen Interessen zu vertreten.
Dass das auch dem Zeitgeist entspricht, war letztes Jahr wohl eher noch Intuition und das Gespür für kommende Entwicklungen. Aus heutiger Sicht passt es natürlich perfekt zu den Jugendbewegungen wie „Fridays for Future“.

Den Jugendlichen gehört nicht nur der größte Teil der Zukunft, sondern sie beginnen auch, entschlossen Verantwortung zu übernehmen.

Gibt es schon vergleichbare Veranstaltungen für Jugendliche in Deutschland?

In wie weit diese Veranstaltungen vergleichbar mit der TEDxYouth@München sind, kann ich nur bedingt beurteilen. Was uns ausmacht ist, dass wir unter dem Thema „Who if not us“ eine Art des Dialogs und der Interaktion gefunden haben, die die Teenager und jungen Erwachsenen ernst nimmt. Wir hatten neben dem Bühnenprogramm mit Talks durch gleichaltrige Founder, Aktivisten, Musiker, Künstler, Autoren und Wissenschaftler auch ein Festival mit sehr intensiven und tiefgehenden Interaktionen und Dialogforen. Ich glaube, das gepaart mit Entertainment und Design machte unsere Veranstaltung durchaus einzigartig.

Welche Themen und Angebote habt ihr geboten, welche kamen besonders gut an und welche nicht?

Puh. Ne Menge. Großartige Talks, vielschichtiges, fettes Entertainment, Speaker zum Anfassen und Diskutieren, Partner, die sich in Dialogforen in den „Wind“ stellen und mit den Kids auf Augenhöhe diskutieren, Workshops bei denen man in klugen Tests und Interaktionen mehr über sich und seine eigenen Motivation erfährt, Codingkurse, Exkursionen zu Partnern, Radioworkshops, NGOs zum Anfassen, Kollektive Tape Art, ein Aftershowevent, lecker Essen, die coolsten Socken der Welt als GiveAway, die Chance spontan selbst auf der Bühne zu stehen… Gefühlt kamen alle sehr gut an.

Ihr kommuniziert viel auf Englisch. Warum? Wurde vor Ort auch Englisch gesprochen?

Unser Social Media Auftritt bei Instagram ist ausschließlich auf Englisch. Vor Ort im Muffatwerk gab es Deutsche und Englische Talks. Wir versuchen eine internationale Münchner Community anzusprechen und die Speaker in der Sprache sprechen zu lassen, in der sie sich wohlfühlen. Nur dann können die Talks auch authentisch sein. Zur Übersetzung nutzen wir eine Spracherkennungs- und Übersetzungs-KI, die es ermöglicht, die Vorträge in der jeweils anderen Sprache mitzulesen.

Inwiefern sind jugendliche Event-Besucher anders als ältere?

Ich denke einer der Hauptunterschiede besteht darin, insbesondere Kritik sehr direkt zu kommunizieren. An das muss man sich gewöhnen. Das kann man allerdings auch nutzen, wenn man darauf gefasst und offen für Dialog ist.

Auch würde ich sagen, gibt es eine hohe Sensibilität für „Fake“ und keine Toleranz. Alles wird hinterfragt und auf Authentizität geprüft – und zur Diskussion gestellt.

Dabei ist es uns scheinbar sehr gut gelungen, mit Hilfe auch sehr junger Teammitglieder, einen Ton zu treffen, der zielgruppengerecht war, ohne sich dabei anzubiedern. Wir haben von unseren 600 Gästen bemerkenswert gutes Feedback bekommen. Direkt vor Ort, als auch in unseren Befragungen.

Habt ihr bei der Planung oder Umsetzung irgendetwas anders gemacht als z.B. bei der TEDxMünchen oder anderen Veranstaltungen?

Letztendlich haben wir nicht nur adaptiert, sondern das Event komplett neu gedacht. Egal ob Programmstruktur, Moderation, Entertainment, Design, Location, Interaktion, Businessmodell, Einbindung von Partnern… alles neu.

Wir haben den Nachmittag in Form eines Festivals sehr interaktiv gestaltet. Bei jedem Auftritt der Partner und jeder Sonderveranstaltung haben wir darauf Wert gelegt, dass den Leuten zugehört wird. Wir waren in der Gestaltung und im Design viel mutiger.

Am liebsten mochte ich, dass die ganze Agentur selbst mitgebastelt hat, alles war hand-made. Das geht bei Corporate Veranstaltungen gar nicht.
Wir haben uns aber auch vom Enthusiasmus und Herzblut der Speaker und Volunteers mitreißen lassen. Das war schon außergewöhnlich.

Denkt ihr, dass Veranstaltungen für Jugendliche einen anderen Stellenwert haben oder sie andere Erwartungen haben? Mal abgesehen von den bekannten – und oft sehr oberflächlich behandelten – Themen wie mehr Social Media, Interaktivität und Teilhabe.

Ich denke, man ist als Erwachsener geneigt immer die gleichen Sterotypen zu bedienen, wenn es um den Blick auf Jugendliche und junge Erwachsene geht. Vieles davon mag zwar stimmen, aber viele wichtige Aspekte fehlen. Somit entsteht ein Zerrbild. Ich habe den Eindruck dass wir mit Blick auf Jugendveranstaltungen immer denken, dass es dieser Generation eh nur um grenzenlosen „Spaß“ geht. Sicher ist Spaß zu haben – an dem, was man tut – ein wichtiger Faktor bzw. sogar logisch. Allerdings erlebe ich, wie Tiefgang und Relevanz sich mit einer großen Menge Wissen und guter Diskussionskultur kombinieren. Das fehlt vermutlich den meisten jungen Formaten.

Werden sich Veranstaltungen im Zuge ihrer ggf. anderen Erwartungen und Vorstellungen verändern (müssen)? Oder mögen sie einfach gut gemachte Events, so wie eigentlich alle Generationen?

Ich denke das Qualität in einer Veranstaltung für jungen Menschen genauso wichtig ist, wie für Erwachsene. Die Indikatoren, was man unter Qualität versteht sind nur andere. Ich würde fast behaupten, dass es bei Erwachsenen bei der Beurteilung von Qualität möglicherweise auf deutlicher oberflächlichere Faktoren ankommt, als bei den Jugendlichen, die in ihrer Beurteilung ihres Qualitätsverständnisse auch stark die Hintergründe hinterfragen. Simpel gesprochen, zählt dann neben Optik oder Geschmack auch die Herkunft und der Inhalt. Dazu kommt eben der Anspruch auch zu Interagieren. Nur Zuhören alleine reicht nicht.

Nachhaltigkeit ist gerade im Kontext der „Fridays for Future“-Bewegung ein großes Thema unter Jugendlichen. Habt auch ihr entsprechende Maßnahmen bei der Veranstaltungsplanung einbezogen?

Wir haben großen Wert darauf gelegt bei der Gestaltung der Location größtenteils Materialien zu verwenden, die zum Einen aus dem Bestand unseres Messebauers kamen und zum Anderen nach dem Event auch noch weiterverwendet werden können, und nicht einfach im Müll landen.

Bis auf eine Speakerin, die aus den USA angereist ist – deren Flug wir jedoch genauso wie die überschaubaren restlichen CO2 Emissionen kompensieren werden – kamen alle Speaker aus dem lokalen Umfeld bzw. Deutschland und haben bei ihrer Anreise auf das Flugzeug verzichten können. Dies handhaben wir mittlerweile in der Agentur genauso. Unsere Mitarbeiter fliegen innerhalb Deutschlands und im näheren europäischen Ausland nicht mehr, sondern nutzen den Zug.

Bei den angebotenen Speisen haben wir uns für ein rein vegetarisches Angebot entschieden, bis hin zum veganen Crew-Catering.

Waren die Jugendlichen auch in diesem Punkt sensibler und kritischer als ältere Eventbesucher?

Unsere TEDx Community ist ohnehin bereits ein sehr kritisches Publikum, welches sich intensiv mit Themen wie Nachhaltigkeit auseinandersetzt. Daher legen wir schon seit vielen Jahren Wert darauf, hier mit gutem Beispiel voranzugehen und jedes Mal ein Stück besser zu werden.

Dennoch haben wir erlebt, dass die Jugendlichen bei unserer TEDxYouth nochmals ein ganzes Stück sensibler und kritischer in Bezug auf dieses Thema waren. Sie haben mehr hinterfragt und auf Unstimmigkeiten hingewiesen. Sind proaktiv sowohl auf uns als auch auf unsere Partner zugegangen und in Dialog getreten.

Wir finden das gut und fordern solches Feedback auch selbst ganz aktiv ein. Nur so können wir uns, unsere Herangehensweise und die Veranstaltung selbst stetig optimieren und nachhaltiger gestalten. Etwas, das uns wirklich sehr am Herzen liegt.

Habt ihr aus euerer ersten TEDxYouth etwas Bestimmtes mitgenommen oder gelernt?

Für mich persönlich war es aus heutiger Sicht vermutlich das coolste Eventprojekt, an dem ich je beteiligt war. Es war wie ein Rausch unsere 600 jungen Gästen durch diesen spannenden, ernsten, lustigen, lauten, wilden Nachmittag zu führen, bzw. von ihnen geführt zu werden. Es hat vermutlich von allen Events am meisten Sinn gemacht!

Ich glaube auch unsere Partner, die wir nicht nur als Finanziers missbraucht haben, sondern die wir sehr intensiv mit individuellen Interaktionen eingebunden haben, geben uns sehr positives Feedback und bewerten ihr Investment und Engagement als sehr erfolgreich.

Fotos: Denise Stock Photography

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