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Mitarbeiter können entscheiden, wann und wo sie arbeiten – Interview mit Planworx

Von Katharina Stein 5.9.2019 ~7 Minuten Lesezeit

Viele Agenturen bemühen sich heute mehr für ihre Mitarbeiter zu tun. Sie bieten attraktive Arbeitsräume, flexiblere Arbeitszeiten oder die freie Wahl des Arbeitsortes. Eine kürzlich verschickte Pressemeldung der Agentur Planworx hat in diesem Kontext mein Interesse geweckt hat. Ich habe etwas genauer nachgefragt und mit Christian Münch, Vorstand der Planworx AG, über die Agenturangebote gesprochen.
Ihr sprecht in einer kürzlich veröffentlichten Pressemeldung an, dass eure Mitarbeiter auch mal in anderen Städten und Ländern arbeiten. Was meint ihr konkret damit und was bietet ihr Mitarbeitern diesbezüglich an?

Christian Münch: Jede/r unserer Kollege/innen – festangestellt wie frei – ist mit einem Microsoft Surface Device ausgestattet, um jederzeit ortsunabhängig zu arbeiten. Voraussetzung ist lediglich eine einigermaßen belastbare Internetleitung. Die Kollegen wählen sich über eine gesicherte Verbindung in unser Firmennetzwerk ein und haben von überall Zugriff auf alle Daten und Programme. So haben wir Kollegen, die an ihren Heimatorten im Fichtelgebirge, in Halle und im Bayerischen Wald arbeiten, aber auch eine Kollegin, die aus familiären Gründen länger im Ausland (Tansania) bleibt und von dort arbeitet.

Können eure angestellten Mitarbeiter somit z.B. auch für einige Monate ins Ausland reisen und von dort arbeiten? Oder z.B. halbe Tage zu Hause arbeiten, weil sie Kinder haben oder die mal krank sind?

Christian Münch

C.M.: Bei uns werden im Schnitt etwa 32% aller Stunden im Home Office gearbeitet – das kann jeder nach Auslastung und anstehenden ToDos selbst entscheiden. Das ist natürlich auch typabhängig: Manche Kollegen arbeiten viel lieber in der Ruhe ihrer eigenen vier Wände, für andere ist Home Office nicht das Richtige. Wir haben auch langjährige KollegInnen, die im Ausland (Schweiz/Spanien) sitzen und Projektarbeit machen. Aufgrund der Präsenztermine sind sie nicht als Projektleiter tätig, aber alle anderen Arbeiten lassen sich dank der Digitalisierung ja wunderbar ortsunabhängig erledigen. Wir versuchen ohnehin, unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren und so wenig wie möglich für Besprechungen durch die Gegend zu reisen – Microsoft Teams/Skype/Cisco Meetings eignen sich als Alternative bestens.

Nach Absprache mit den Teamleitern ist es natürlich auch möglich, längere Zeit aus dem Ausland zu arbeiten. Wir hatten letztes Jahr den Fall, dass eine Kollegin Ihre Familie in der Türkei unterstützen musste und so hat sie die Not zur Tugend gemacht.

Ein Großteil unserer Mitarbeiter hat mittlerweile Kinder und tatsächlich ist das Home Office ein gute Möglichkeit, um Familie und Beruf besser und nachhaltiger zu kombinieren.

In diesem Kontext sprecht ihr auch Vertrauensarbeitszeit an. Wie sieht das bei euch aus?

C.M.: Jeder Mitarbeiter kann in Absprache mit seinem Team und den Kunden seine Arbeitszeiten selbst bestimmen. 90% der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit sollen davon „produktiv“ auf Projekte gebucht werden, 10% der Zeit können für nicht-projektbezogene Dinge – etwa sich auf einer Messe inspirieren zu lassen – verwendet werden.

Mitarbeiter können dabei auch die Länge der Arbeitszeit bestimmen oder „nur“ die Uhrzeiten, an denen sie arbeiten?

C.M.: Es gibt ein vertraglich vereinbartes Wochenkontingent – wann und wo das geleistet wird, bleibt jedem Mitarbeiter in Absprache mit dem Team selbst überlassen. Eine frei wählbare Arbeitsdauer bieten wir (noch) nicht an.

Barbara in ihrem Homeoffice in Tansania

Ihr vergebt „Fucked-up-Pokale“. Wie genau und warum macht ihr das?

C.M.: Innerhalb des Teams kommunizieren wir hauptsächlich über „Microsoft Teams“ – damit lassen sich in Sekundenschnelle Projektteams aufstellen, Dateien integrieren, Inhalte teilen, Themenkanäle eröffnen. Einer dieser Kanäle ist der „Fucked-up“-Kanal, in den die (mutigen) Kollegen ihre Fehler/Versäumnisse/Missgeschicke eintragen – und das interessanteste, witzigste oder peinlichste Erlebnis – bzw. die Aufrichtigkeit – wird Ende des Monats mit einem Kasten Bier, einer Flasche Sekt o.Ä. „belohnt“. Dies fördert die Feedback- und Fehlerkultur und hilft den Kollegen auch, aus fremden Fehlern zu lernen.

War und ist es schwer Mitarbeiter dazu zu bewegen „richtige“ Fehler – und keine harmlosen Kleinigkeiten – preiszugeben?

C.M.: Radical Honesty ist etwas, an dem konstant gearbeitet werden muss – wie wenn man eine neue Sportart lernt oder sich eine Meditations-Routine aneignet. Man muss die Kollegen schon regelmäßig „anstupsen“, um sie dazu zu motivieren – bis auf ein paar KollegInnen, die es schon verinnerlicht haben und keine Hemmungen mehr zeigen, sich zu „outen“.

Daneben betont ihr verschiedene räumliche Angebote wie einen Socializing-, Deep Work-, Brainstormingraum oder Platz für Meetings in großen Runden. Kritiker sagen, dass Mitarbeiter keine schicken Räume, sondern u.a. ein gutes Klima, Wertschätzung und eine gute Führung brauchen. Was würdet ihr antworten und inwiefern haltet ihr solche Räume trotzdem für wichtig oder gewinnbringend für die Mitarbeiter?

C.M.: Das eine schließt das andere ja nicht aus. Bei Planworx genießen die Mitarbeiter hoffentlich beides – gutes Klima in einer ansprechenden und inspirierenden Arbeitsumgebung.

Als wir unseren Agenturumzug von der Praterinsel in die Parkstadt vorbereitet haben, wurde das Team von Anfang an integriert. In drei Arbeitsgruppen – Mensch, Raum und Technik – durften alle ihre Wünsche, Meinungen, Vorlieben einbringen, die – soweit möglich und sinnvoll – in das Konzept der neuen Agentur eingeflossen sind. Deshalb gibt es heute die erwähnten, stylisch und gemütlich gestalteten Agenturbereiche – aber keine Kicker o.Ä., mit denen über unbezahlte Überstunden oder fragwürdige Arbeitsbedingungen hinweggetröstet werden soll.

Wir finden, ein gut gestaltetes Büro hebt dennoch das Arbeitsklima und es macht einfach mehr Spaß, in einem schönen Raum zu arbeiten (dessen unterschiedliche Sitzgelegenheiten und -höhen wie Stehtische, Sitzbänke, Bürostühle zudem auch persönliche Vorlieben berücksichtigen). Wir haben sogar Kunden, die ihr Büro zeitweise in unseren Socializing-Raum verlegen, weil sie sich hier deutlich wohler fühlen als im gesichtslosen Bürokomplex.

Ihr nutzt anscheinend diverse Collaboration Tools. Wie kam es dazu?

C.M.: Vor dem Agenturumzug in die Parkstadt Schwabing haben wir auf der Praterinsel in den denkmalgeschützten Räumen der ehemaligen Riemerschmid Likörfabrik gearbeitet, mit teilweise wirklich antiquierten Prozessen, mächtigen PCs, Kabelbergen und meterweise Ordnerwänden. So kleinteilig die Räumlichkeiten, so wenig ganzheitlich waren die Workflows. Wir haben dann Tabula Rasa gemacht, die IT komplett auf mobil und papierlos umgestellt, und das Team in drei Eventteams – eine Verwaltung, die Kreation und das Konzeptteam – aufgestellt, um agiler auf eintreffende Pitches reagieren und viel vernetzter zusammenarbeiten zu können.

Und was hat das eurer Meinung nach gebracht?

C.M.: Jede Menge: Wir sind deutlich agiler und flexibler geworden. Unsere Kreativität ist nach oben gegangen und so konnten wir die Quote unserer gewonnenen Pitches deutlich erhöhen. Wir sind als Team enger zusammengerückt, wir kennen uns gegenseitig viel besser, wissen auf welchen Projekten die Kollegen arbeiten und welche Herausforderungen sie aktuell zu meistern haben. Wir gehen ehrlicher miteinander um und vermeiden Silodenken. Wir ziehen alle an einem Strang und versuchen gemeinsam, unsere Ziele zu erreichen.

Ihr ward kürzlich bei den Studierenden von treibhaus 0.8 und habt darüber gesprochen, wie man Events der Zukunft neu denken sollte. Könnt ihr auch uns kurz etwas dazu anreißen?

C.M.: Nach Jahrzehnten von Frontbeschallung, PowerPoint-Schlachten und Hochglanz-Events mit viel Fassade und wenig Inhalt, geht es bei heutigen Veranstaltungen um Dialog statt Monolog, Interaktion statt Berieselung, und die größtmögliche Individualisierbarkeit (Stichwort „Prosument“ statt „Konsument“) von Inhalten und Agenden. Dabei lassen sich vier Erfolgsfaktoren ausmachen:

Relevanz: Jeder Event sollte maximal auf die anvisierte Zielgruppe zugeschnitten sein und ebendiese mit relevantem Content versorgen.
Botschaft: Warum will ich einen Event veranstalten? Was habe ich der Zielgruppe zu sagen? Was erhoffe ich mir, von den Teilnehmern im Gegenzug zu bekommen? Je präziser wir in der Lage sind, das zu formulieren, umso größer die Erfolgsaussichten.
Methodik: Wie gelingt es uns, die Veranstaltung maximal interaktiv, integrativ und kollaborativ zu gestalten und dabei gleichzeitig das Individualbedürfnis des Einzelnen zu befriedigen?
Haptik: Wie „fühlt“ sich der Event an? Wie balancieren wir den Hochglanzanspruch des Unternehmens und die Ansprüche an Nachhaltigkeit geschickt aus?

Danke für die Antworten und Hintergründe.

Fotos: Planworx

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